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4. Mitteldeutscher Architektentag

Ein Rückblick auf die gemeinsame Veranstaltung der Architektenkammern Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt von Dipl.-Ing. Architektin Gertrudis Peters, Geschäftsführerin Architektenkammer Thüringen

Architektentage dienen dazu, neben dem kollegialen Austausch und der medienwirksamen Repräsentanz unseres Berufsstandes, ein fachbezogenes Zukunftsthema der Gesellschaft gemeinsam mit Vertretern aus Politik, Verwaltung, Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft zu diskutieren. Das Thema „Kulturlandschaften im Wandel“, das sich der 4. Mitteldeutsche Architektentag gesetzt hatte, irritierte und interessierte gleichermaßen. Manch einer hätte sich ein architektonischeres Thema gewünscht. Der ein oder andere sah eher die „hard facts“ der Berufspolitik im Vordergrund einer zu führenden Debatte. Doch schloss das gewählte Thema diese Erwartungen aus? Oder bediente es sie eher auf subtile Weise?

180 Teilnehmer waren der Einladung der Architektenkammer Thüringen gefolgt, um sich auf die Vielschichtigkeit des Begriffs Kulturlandschaft einzulassen, Wahrnehmungsebenen und Akteure der Kulturlandschaftsgestaltung kennen zu lernen und Modelle und Handlungsstrategien der Kulturlandschaftsentwicklung zu diskutieren. Der Reigen der geladenen Referenten spiegelte die Komplexität des Themas wider und bot die Chance, den Berufsstand mit anderen Disziplinen zu vernetzen und eine Debatte über den Fachkreis hinaus zu führen.

Kulturlandschaften im Wandel: Standortsuche und Positionsbestimmung
Die hochrangigen Eingangsstatements von Bundesminister Wolfgang Tiefensee und Minister Gerold Wucherpfennig umrissen die politischen Problemlagen und Arbeitsfelder bei der Gestaltung von Kulturlandschaften. Betont wurde die weit reichende und zukunftsrelevante Verantwortung des Berufsstandes, gewürdigt wurden insbesondere die Leistungen nach der Wende, die, so Minister Wucherpfennig, zu einer Renaissance der Kulturlandschaft Thüringens führten. Mit besonderer Aufmerksamkeit vernommen wurde die en passant eingeflochtene Zusicherung von Bundesminister Tiefensee, die HOAI in all ihren Leistungsphasen zu erhalten. Einigkeit konnte unter den politischen Repräsentanten des ersten Blocks sehr schnell darüber erzielt werden, dass der stetige Wandel ein Wesenszug von Kulturlandschaft bedeutet und die besondere Herausforderung in der rasanten Beschleunigung der Veränderung liegt. Präsident Strube lenkte hierbei den Blick auf die Chancen neuer, zum Teil ungewohnter, aber durchaus spannender Aufgaben.

Kulturlandschaftsentwicklung – ein partizipatorischer Prozess
Der zweite Block des Vormittags trug den Titel „Theorie der Kulturlandschaft“. Er sollte Licht in den Dschungel eines getönten Begriffs mit einer Vielzahl an Konnotationen bringen. Prof. Winfried Schenk knüpfte an dem Aspekt der dynamischen Raumentwicklung seiner Vorredner an. Gerade die damit verbundenen Verlusterlebnisse und Zukunftsängste haben den Boden bereitet für die Konjunktur des Begriffs Kulturlandschaft. Hierbei zeichnete sich ein Wandel im Verständnis in den letzten Jahren ab: Während mit dem Terminus „gewachsene Kulturlandschaft“ im Grundsatz 13 des BROG von 1998 noch sehr stark der Schutzgedanke in der Tradition der Denkmalpflege im Vordergrund stand, sieht das Europäische Raumentwicklungskonzept EUREK von 1999 im „cultural heritage“ einen wirtschaftlichen Faktor, der für die Raumentwicklung zunehmend wichtiger wird, so Prof. Schenk. Der Fokus von einem auf konkrete räumliche Strukturen und Elemente ausgerichteten Verständnis verschiebt sich hierbei und mündet in ein „konstruktivistisch-reflektivistisches Verständnis der Sozialwissenschaften“. Explizit gefordert wird die Beteiligung der Bürger bei der Bestimmung und Ausgestaltung ihrer Kulturlandschaften.

Hier knüpfte auch der Beitrag von Prof. Susanne Hauser an. Ihre zentrale Frage an den Berufsstand lautete: Sind Identitäten planbar? Ihre These: Identitäten haben sich, wo sie nicht selbstverständlich geteilt, sondern reflektiert geplant werden, als zerbrechlich erwiesen. Es reicht daher nicht, charakteristische Orte als Ankerplätze für Identitäten zu planen, es muss sich auch jemand mit ihnen identifizieren. Daher ihr Credo: Es gilt, die planerische Aufmerksamkeit respektvoll auf Identitäten und Identifizierungen zu richten, und zwar im Sinne eines Prozesses in der alten/neuen Kulturlandschaft. Gefragt sind ihres Erachtens Kommunikations- und Mediationsfähigkeit, kulturwissenschaftliche Kompetenzen sowie der Sinn für Prozesse und Möglichkeiten.
Den Sinn für Möglichkeiten zu schulen, Denkmuster des Sehens zu durchbrechen, darauf zielte der Beitrag „Future Landscapes“ von Astrid Artner. Sie stellte anhand von Szenarien alternative Zukunftsbilder der Kulturlandschaften 2030 vor. Das Instrument der Collage diente hierbei dazu, im Prozess mit den beteiligten Akteuren den Blick zu weiten, Erwartungen und mögliche Leitbilder zu reflektieren.

Vision und Realität der Kulturlandschaftsentwicklung
War der Vormittag der politischen Dimension sowie der Theorie der Kulturlandschaft vorbehalten, so wurden am Nachmittag anhand von Praxisbeispielen aus den drei mitteldeutschen Bundesländern strategische Handlungsansätze und Leitbilder der Kulturlandschaftsentwicklung zur Diskussion gestellt. Stadtland Thüringen – Auf dem Weg zur Nachhaltigkeit, Prof. Welch Guerra machte in seinem Vortrag deutlich, dass der im Titel formulierte Anspruch aus seiner Sicht noch nicht erfüllt ist. Zwar bestätigte er ein hohes Maß an Planungskultur, gleichwohl sah er die Gefahr, dass durch den Berufsstand wichtige Belange, die nicht in erster Linie gestalterische Dimensionen berühren, wie z. B. soziale Fragen oder räumliche Folgen des Klimawandels, nur sehr zögerlich berücksichtigt werden.

Dass es trotz größter Herausforderungen gelingen kann, Perspektiven in Regionen des Strukturwandels, der De-Ökonomisierung aufzuzeigen, machte Prof. Rolf Kuhn in seinem Vortrag deutlich. Die IBA Fürst Pückler Land gilt als die größte Landschaftsbaustelle Europas. Durch das Konzept der Landschaftsinseln, die ganz unterschiedliche Themen abbilden, gelang es, etwas Authentisches und gleichzeitig Neuartiges zu schaffen, das Identifikation erlaubt und neue Wertschöpfung generiert. Was sich als Erfolgsgeschichte leicht konsumieren lässt, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es immer auch der zukunftsfähigen Vision bedarf und in der Umsetzung man der Avantgarde ihren eigenen Weg auch zugestehen muss.

Wandel ohne Wachstum – Perspektiven des Planens und Bauens
Standortbestimmung Architektentag: Mit welchen Aufgaben und Herausforderungen wird unser Berufsstand zukünftig konfrontiert sein? Die Diskussion zum Thema „Kulturlandschaft im Wandel“ machte deutlich, dass der Berufsstand, will er den Strukturwandel weiterhin verantwortlich mit gestalten, sich zunehmend in interdisziplinären Debatten wird bewegen müssen. Hier ist mehr Offenheit gefragt. Doch unabhängig davon, ob wir das „Mehr“, im Sinne von Wachstum, oder das „Weniger“, im Sinne von Wandel gestalten, Martha Doehler-Behzadi und Hartmut Strube brachten es in der abschließenden Podiumsdiskussion auf den Punkt: „Wir brauchen für unsere zukünftige räumliche Entwicklung weiterhin Ideen! Darin liegt unsere Verantwortung. Im Großen wie im Kleinen.“ Es bleibt zu wünschen, dass diese Ideen auch abgerufen werden und das Plädoyer von Dr. Werner Henning, Landrat des Landkreises Eichsfeld, für die Integration von mehr Fachkompetenz, sich bewahrheitet.

Fotos vom 4. Mitteldeutschen Architektentag und vom Sommerfest:
http://www.architekten-thueringen.de/architektentag/mat2008/

veröffentlicht am 29.09.2008 von Birgit Kohlhaas · Rubrik(en): News, Berufspolitik / Kammerarbeit

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